Von den drei Hauptzutaten für handgerollte Premium-Zigarren – Filler, Binder und Wrapper – scheint das Umblatt in den Hintergrund gedrängt zu werden, während Einlage- und Deckblatt-Tabake im Rampenlicht stehen. Aber ist der Binder deshalb nicht wichtig? Ganz im Gegenteil. Das Umblatt (Spanisch: capote) wird vom Master Blender ebenso sorgfältig ausgewählt wie alle anderen Tabake eines Blends. Um die Scheinwerfer auf den Binder zu richten, sprach ich mit Ernest Gocaj, Leiter für Tabakeinkauf bei der General Cigar Company (GCC), über dieses absolut notwendige Blatt. Señor Gocaj ist für den Erwerb von Tabaken aus aller Welt zuständig, beaufsichtigt die Blattkultivierung und inspiziert alle Tabake, um die hohen Qualitätsstandards von GCC zu garantieren. Zudem zeichnet er für die von dem Unternehmen seit kurzem verwendeten exotischen Tabake aus Afrika, Brasilien und Kolumbien verantwortlich und arbeitet mit dem hauseigenen Forschungs- und Entwicklungsteam zusammen, um neue Tabaksorten zu züchten, landwirtschaftliche Praktiken zu verbessern und Vintage- Saatgut wiederzubeleben.
Cigar Journal: Kann man eine Premium-Zigarre ohne Umblatt machen?
ERNEST GOCAJ: Nein, ein Umblatt ist bei Premium-Zigarren erforderlich. Es dient dazu, den Einlagetabak zusammenzuhalten, damit die Zigarre gepresst und eine glatte Oberfläche für das Deckblatt geschaffen werden kann.
Cigar Journal: Was sind im Vergleich zu Filler und Wrapper die Unterschiede bei der Trocknung, Fermentierung und Reifung von Binder-Tabaken?
ERNEST GOCAJ: Der Trocknungsprozess ist bei allen Tabakarten gleich, aber die Fermentation spielt eine wichtige Rolle, wobei es in den ersten Phasen keinen Unterschied zwischen Wrapper, Binder und Filler gibt. Die für die Fermentierung benötigte Zeit und andere Faktoren wie etwa die Temperatur hängen davon ab, wofür der jeweilige Tabak letztlich verwendet wird. Nur das Deckblatt wird länger fermentiert, um ihm mehr Geschmack und Farbe zu verleihen. Beim Filler kommt es auf die Kategorie des Tabaks an: Bei Volado, den dünnsten Blättern (vom untersten Teil der Pflanze) dauert die Fermentierung am wenigsten lang, Seco-Blätter (aus der Mitte der Pflanze) brauchen etwas mehr Zeit und Ligero wird am längsten fermentiert, um das Harz aus den Blättern zu entfernen.
Cigar Journal: Welche Geschmacks- und Aromaeigenschaften hat das Umblatt?
ERNEST GOCAJ: Im Prinzip kann man jeden Tabak als Deckblatt, Umblatt oder Einlage verwenden; der jeweilige Einsatz wird im Zuge der Sortierung der Blätter bestimmt. Bei Binder-Tabak handelt es sich im Grunde um Wrapper-Tabak, der kein ansprechendes ästhetisches Erscheinungsbild hat. So eignet sich zum Beispiel ein Connecticut Broadleaf mit starken Adern oder gesprenkeltem Aussehen nicht als Deckblatt und wird deshalb als Binder eingesetzt. Ein Connecticut Broadleaf mit feinen Adern, einheitlicher Farbgebung und anderen vom Hersteller gewünschten Eigenschaften hingegen wird als Wrapper verwendet. Wie zuvor erwähnt, wird der Tabak für ein Umblatt voll fermentiert, aber da es den Gaumen nicht berührt und nicht viel zum Geschmack beiträgt, ist im Gegensatz zu Deckblättern keine zusätzliche Fermentierung notwendig.
Cigar Journal: Kommen Umblätter aus bestimmten Ländern öfter als andere zum Einsatz?
ERNEST GOCAJ: Hier bei General Cigar verwenden wir vorwiegend Broadleaf und Mexican San Andrés für Umblätter, weil sie mit anderen Tabaken harmonieren und zur Brennbarkeit der Zigarre beitragen.
Cigar Journal: Gibt es eigens gezogene Binder-Tabake, um einen bestimmten Geschmack zu erzielen, wie das oft bei Deckblättern der Fall ist?
ERNEST GOCAJ: Tabak für Binder wird nie speziell angebaut. Alles was sich für Deckblätter nicht eignet, wird für Umblätter beziehungsweise als Einlage verwendet. Aber es gibt bestimmte Binder, die zur Stärke eines Blends beitragen. Ein gutes Beispiel sind Umblätter aus Estelí, Nicaragua, die wir für einige unserer La Gloria Cubana-Zigarren verwenden.
Wenn Sie also das nächste Mal Ihre Lieblingszigarre anzünden, dann schenken Sie dem Binder ein wenig mehr Beachtung. Denn ohne ihn, würde es die Zigarre nicht geben.