Zigarrenrollen ist eine handwerkliche Kunst. In Kuba erfolgt sie seit bald 200 Jahren in nahezu unveränderter Form. Der Mischmeister (span: Maestro ligador) kennt die Rezeptur für jede Marke und jedes Format. Die Zigarrenroller fassen die Tagesration Tabak in der Barajita aus, wo die Mischungen (ligadas) vorbereitet werden, und nehmen an ihren Arbeitstischen Platz. Ein Torcedor benötigt nicht viel, um seine Kunst auszuüben. Ihm genügen nebst Tisch und Sessel folgende Requisiten: ein solides Holzbrett, ein spezielles Messer, ein kleiner Rundschneider zum Ausschneiden des Käppchens am Kopf der Zigarre, eine Guillotine, ein Gefäß mit geschmacksfreiem pflanzlichen Klebstoff und eine Messlehre, um Länge und Ringmaß zu überprüfen – und vor allem die Erfahrung und die Geschicklichkeit jahrelang geübter Hände.
Der Roller legt die Einlageblätter (tripa) von links nach rechts jeweils in kleinen Stapeln vor sich hin. Dann kommt das Umblatt (capote) und ganz rechts das Deckblatt (capa). Bei den Einlageblättern wurde schon vorher ein Teil der dicken Mittelvene entnommen, sodass Blätter entstehen, die mit Phantasie wie ein Frosch mit Hinterbeinen aussehen (frog-strips). Nun folgt der erste Schritt: das Formen des Wickels (bunching). Der Wickel ist das Halbfabrikat, das aus den in der Regel 3 bis 5 Einlagetabaken und dem darüber gerollten Umblatt besteht. Yolanda Medina ist Torcedora der ersten Stunde. Heute zeigt sie ihre Kunst im Hotel Melia Habana. Zunächst legt sie das Umblatt mit der Rückseite auf ihr Brett, sodass die größeren Adern im Blatt nach oben schauen. Beim Rollen der Zigarre kommen so die Blattadern nach innen zu liegen.
Es werden nur entrippte Blatthälften als Umblatt verwendet. Bei größeren Formaten werden zwei oder sogar mehr Umblätter überlappend nebeneinander gelegt. Wie die Einlagetabake in der Hand der Torcedora gelegt und dann geformt werden, dazu gibt es verschiedene Methoden: In absteigendem Schwierigkeitsgrad für den Roller seien genannt: Entubado, Accordion, Book und Lieberman (das ist ein händisch zu bedienender Halbautomat, der das Rollen wesentlich erleichtert).
Dies ist die klassische Methode. Eigentlich wurde sie schon Ende des 17. Jahrhunderts in Sevilla entwickelt; aus Kuba kam am Anfang nur der Tabak. Hier werden die Einlageblätter einzeln in kleinen Rollen nebeneinander gelegt und zu einem Bunch geformt. In die Mitte der Einlage kommt das Ligero-Blatt. Es ist ein sehr kräftiges, würziges Blatt, das aber langsam abbrennt. Es gibt der Zigarre die Kraft. Das Seco-Blatt ist aromatisch, würzig, hat eine mittlere Entflammbarkeit und gibt der Zigarre die notwendige Balance. Der Volado ist mild und brennt leicht. Durch die einzeln gerollten Einlageblätter wird in der fertigen, zylinderförmigen Zigarre ein ungehinderter Rauchdurchgang gewährleistet; der Rauch muss durch alle Blätter hindurch und transportiert so mehr Aroma und Geschmack zum Gaumen. Bei einer gut gerollten Zigarre entsteht ein kühler, langsamer und regelmäßiger Abbrand. Dann vollendet der Torcedor den Wickel (span: bonche), indem die Einlageblätter mit dem Umblatt überrollt werden. Gerollt werden die Zigarren vom Kopf (Mundende) aus. Dabei muss die Einlage an jeder Stelle gleichmäßig zusammengedrückt werden. Der Fuß des Wickels (Brandende) wird mit einer Guillotine oder mit der Chaveta abgeschnitten. Der fertige Wickel kommt in eine Form, wo er mindestens 30 Minuten gepresst wird. Um eine gleichmäßige Form zu gewährleisten, wird die Presse einmal geöffnet und der Wickel gedreht.
Nick Perdomo arbeitet in seiner Tabacalera Perdomo in Nicaragua nach der klassischen Entubado-Methode. Betritt er die Fabrikshalle, gibt es zunächst nach altem kubanischen Brauch zur Begrüßung einen Trommelwirbel der Torcedores mit ihren Chavetas auf die Arbeitsflächen. Statt Holzbrettern werden bei Perdomo Arbeitsflächen aus Stahl verwendet, weil es sich darauf exakter arbeiten und das Material sich leichter reinigen lässt. Dass man die Messer öfter schleifen muss, nimmt man in Kauf. Tony Perdomo ist Nick’s Onkel. Der bullige Fabrikmanager des Familienunternehmens legt Wert darauf, dass das Tubing der Einlagetabake wirklich in Rollen zu 360 Grad erfolgt. Auch hier ist der starke und langsam brennende Ligero in der Mitte, gefolgt von Seco und Viso, wie hier der Volado genannt wird. Zusätzlich werden Teile von Einlagetabaken ins Fußende gedrückt, damit sich gleich nach dem Anzünden ein Feuerwerk an Aromen entfaltet. Größten Wert legt man bei Perdomo auf die Qualitätskontrolle, wie Sarah Gonzalez versichert. Sie ist samt ihrer Zeit als Meisterrollerin in Kuba seit 36 Jahren in dem Metier tätig. Zehn Zugmaschinen stehen bereit, um jeden einzelnen Wickel auf Zugwiderstand zu testen, bevor er zum Finish freigegeben wird.
Ähnlich wie die Entubado-Methode ist eine Variante, die Jonathan Drew von Drew Estate in seiner wunderschönen Gran Fabrica in Esteli in Nicaragua auch scherzhaft „Lazy Entubado“ nennt: das so genannte Estrujado (von estrujar: pressen, drücken). Hier wird noch vor dem Umblatt ein Blatt als Unterlage (Jonathan Drew nennt es „base“) um die Einlagetabake gelegt. Interessant ist auch, dass in den Fabriken in Nicaragua immer in einem Zweierteam ein Buncher (bonchero) neben einer Rollerin sitzt. Frauen haben die zarteren Finger und besorgen das Überrollen mit dem Deckblatt. In Kuba macht ein Torcedor/eine Torcedora die gesamte Zigarre allein.
Bei dieser Wickeltechnik werden die Einlageblätter jedes für sich von außen nach innen gefaltet. Die Blätter werden übereinander gelegt, bis die Einlage komplett ist. Dann werden sie so wie bei der Entubado-Methode mit einem Umblatt umwickelt. Brian Scholle von Studio Tobac (Oliva), der gerne seine Kunst bei Schaurollen demonstriert, ist Anhänger dieser Methode: „Die gefalteten Einlageblätter erlauben einen exzellenten Zug. Sind die Einlagetabake zu stark zusammengepresst, ergeben sich Zugprobleme, wie es beim Entubado der Fall sein kann.“ Wenn man eine Zigarre oder, besser, was von ihr übrig bleibt, der Länge nach aufschneidet, kann man die gefalteten Blätter wie ein Akkordeon oder einen Fächer auseinander nehmen. Nick Perdomo wendet ein, dass das beim Accordion Bunching dreimal gefaltete Tabakblatt beim Pressen leicht brechen kann. Dennoch ist diese Methode sehr verbreitet, da sie weniger zeitaufwendig ist. Sie ist leichter zu handhaben als die Entubado-Methode und die Tagesleistung eines Rollers ist wesentlich höher. Bei Entubado-Rollung kann ein Torcedor je nach Format 120 bis 150 Zigarren am Tag rollen, bei der Akkordeon-Methode 200 bis 250.
Hier werden die Blätter für die Einlage flach übereinander gelegt und wie ein Buch oder ein Taco zusammengefaltet, und fertig ist die Einlage. Das ist noch einfacher als Entubado oder Akkordeon. Die Zigarre hat eine weniger gut durchlüftete Struktur, es kann nicht so viel Luft durch die Einlageblätter ziehen, als wenn sie einzeln gerollt oder gefaltet wären. Aus der Sicht des Fabrikanten erhöht diese Methode den Output eines Rollers beträchtlich.
Lieberman nennen die Zigarrenhersteller ein relativ leicht zu bedienendes Gerät, das den Wickel mit mechanischer Unterstützung rollen hilft. Es ist ein Stahlrahmen mit einer Gummimatte, die in den Arbeitsplatz des Boncheros integriert ist. In eine Rille, die sich unter der Matte bildet, werden das Umblatt und die Einlageblätter gelegt, und mittels eines händisch zu bedienenden Hebels wird der Wickel gerollt. Nach dem gleichen Prinzip kann man mit einem kleinen Gerät aus einem Blatt Papier und Zigarettentabak eine Zigarette rollen. Der Lieberman spart Zeit und bringt konstant gleichmäßig gerollte Wickel. Beim Lieberman scheiden sich die Geister: Ist eine so gerollte Zigarre noch eine handgefertigte Zigarre? Da die Handarbeit überwiegt, gelten so gefertigte Zigarren immer noch als Premiumzigarren. Eine Matte als Wickelhilfe wird in Kuba bei handgefertigten Tripa Corta- (Shortfiller-) Zigarren verwendet.
Zu erwähnen ist noch der Figurado- oder Hybrid-Wickel: Speziell geformte Zigarren wie Torpedos oder Perfectos verlangen eine eigene Wickeltechnik. Der spitz verlaufende Kopf der Zigarre erfordert beim Wickeln besonderes Können und große Sorgfalt. Ein einziges falsch platziertes Blatt kann den Rauchverlauf empfindlich beeinträchtigen.
Egal mit welcher Methode der Wickel gefertigt wurde, er wandert eine Zeit lang in eine Form und diese in eine Presse. Eine Ausnahme von der Regel ist die Dannemann Artist Line HBPR (hand bunched, pressed, rolled), wo die Zigarrenroller alle Arbeitsschritte mit der Hand vollziehen. Rocky Patel produziert in seinen beiden Fabriken accordion bunched- (in Honduras) und tubular bunched-Zigarren (in Nicaragua). Mit ein Grund für die unterschiedlichen Wickelmethoden ist die unterschiedliche Fermentation der Tabake. In Nicaragua verwendet er auch zwei Umblätter: „Eine Methode ist nicht unbedingt besser als die andere. Es ist ein Unterschied im Stil. Je nachdem, wie Zigarren gemacht werden, entstehen unterschiedliche Geschmacksprofile und unterschiedliche Charaktere. Es ist eine günstige Gelegenheit, ein bisschen verschieden zu sein, ein bisschen einzigartig. So können unsere Linien sehr breitgefächert und dynamisch sein. Das ist der Vorteil zweier Fabriken in zwei Ländern.“
Gerührt oder geschüttelt? Wie schmeckt Martini besser? Eigentlich scheint es mir nicht so wichtig zu sein, ob die Einlage gerollt oder gefaltet wurde. Meine Meinung dazu ist: Hauptsache die Zigarre zieht gut und schmeckt.
Dieser Artikel wurde in der Cigar Journal Winter-Ausgabe 2012 veröffentlicht. Mehr